Frithjof Schuon

und die Botschaft der Philosophia Perennis

Tod im Leben, Leben im Tod

Die Heilige Bernadette von Lourdes (1844-1879).

Es gibt zwei Augenblick im Leben, die alles sind: der gegenwärtige Augenblick, in dem es uns frei steht zu wählen, was wir wollen, und der Zeitpunkt des Todes, in dem wir keine Wahl mehr haben und in dem die Entscheidung bei Gott liegt. Wenn der gegenwärtige Augenblick gut ist, wird der Tod gut sein; wenn wir jetzt mit Gott sind — in dieser Gegenwart, die sich ohne Unterlaß erneuert, immer jedoch der alleinige gegenwärtige Augenblick bleibt —, wird im Augenblick unseres Todes Gott mit uns sein. Das Gottesgedenken ist ein Tod im Leben, es wird ein Leben sein im Tod.


Frithjof Schuon, Perlen des Pilgers, Benziger, Düsseldorf, 2000, s. 49.

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Die Ikone vermittelt die dem heiligen Bild innewohnende Segenskraft

Schwarze Madonna von Tschenstochau.

Die byzantinische Muttergottes — die der Überlieferung nach auf den Evangelisten Lukas und auf die Engel zurückgeht — ist der “Wahrheit” der Mariä unendlich viel näher als das naturhörige Bildnis, das ja notgedrungen immer eine andere Frau darstellt. Denn entweder stellt man die heilige Jungfrau so dar, wie sie ausgesehen hat, dann aber muss der Maler sie gesehen haben; oder man bietet von der Jungfrau und von ihrer geistigen Wirklichkeit ein Sinnbild dar, aber dann hat sich die Frage der äußerlichen Ähnlichkeit nicht mehr zu stellen.  Diese zweite Lösung, die allein sinnvoll ist, wird in den Ikonen verwirklicht: Was diese nicht durch die leibliche Ähnlichkeit darzustellen vermögen, das drücken sie mit der Sprache des Sinnbildes aus, einer Sprache, die die Strenge des Geistes mit dem Jubel der Erlösung verwebt.

Die Heiligen und die Helden sind fast reine Sinnbilder

Heilige Thérèse von Lisieux (1873-1897).

Im Mittelalter gibt es nur zwei oder drei Vorbilder von Größe: den Heiligen, den Helden und auch den Weisen, und auf einer etwas niedrigeren Ebene und gleichsam als Spiegelbilder den Pontifex und den Fürsten; das “Genie” und der “Künstler”, diese Größen der Laienwelt, sind noch nicht geboren.

Der Schlaf des Ichs und das Wachen der unsterblichen Seele


Der marokkanische Sufi-Meister Mulay ‘Ali ad-Darqawi. Foto von Titus Burckhardt.

Die Heiligkeit ist der Schlaf des Ichs und das Wachen der unsterblichen Seele — eines von Sinneseindrücken genährten und mit Wünschen erfüllten Ichs und einer freien, in Gott kristallisierten Seele. Die wogende Oberfläche unseres Wesens muß schlafen und sich von den Bildern und Trieben zurückziehen, während unser Wesensgrund im Bewußtsein des Göttlichen wachen und gleich einer unbeweglichen Flamme die Stille des heiligen Schlafs erleuchten muß.

Frithjof Schuon, Perlen des Pilgers, Benziger, 2000, p. 19.

Für die Christen ist Wahrheit was zu Gott führt, für die Griechen…

Wenn es erlaubt ist, die Dinge auf eine einfache und eher summarische Formel zu bringen, kann man sagen, daß für die Griechen Wahrheit ist, was dem Wesen der Dinge entspricht, für die Christen aber, was zu Gott führt. Diese christliche Haltung mußte in dem Maße, als sie zur Ausschließlichkeit neigte, den Griechen als »Wahnsinn« vorkommen. In den Augen der Christen dagegen machten die Griechen das Denken zum Selbstzweck, ohne Zusammenhang mit irgendeinem persönlichen Verhältnis zu Gott; es war also eine »Weisheit nach dem Fleische«, da es von selbst nicht den gefallenen und ohnmächtigen Willen umzuwandeln vermochte, sondern im Gegenteil durch sein Selbstgenügen die Menschen von der Sehnsucht nach Gott und nach dem Heil ablenkte.

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