Frithjof Schuon

und die Botschaft der Philosophia Perennis

Ich bin vor Gott für meine Seele verantwortlich…

Shrî Ramana Maharshi.

Ich bin vor Gott für meine Seele verantwortlich; alles übrige überlasse ich Gott. Das heißt erstens: ich bin nicht dafür verantwortlich, was die anderen tun; und zweitens: ich kann die Welt weder ändern noch all ihr Unrecht beseitigen, und ich brauche mich deswegen nicht zu grämen.

Ich bin vor Gott für meine Seele verantwortlich, also für meine geistlichen und gesellschaftlichen Pflichten; ich unterscheide zwischen dem, was wesentlich ist, und dem, was nicht wesentlich ist, oder zwischen dem Wirklichen und dem Unwirklichen. Alles übrige überlasse ich Gott: darin bestehen die Tugenden der Ergebenheit und des Vertrauens.

Schuon, Perlen des Pilgers, Benziger Verlag, 2000, s. 39.

Für unser Jahrhundert der Mensch ist gut, weil es ja die Sünde gar nicht gibt

Innerhalb der menschlichen Welt kann man kaum etwas Gutes wählen, man ist immer darauf angewiesen, ein geringeres Übel zu wählen; und um feststellen zu können, welches Übel das geringere ist, sind wir gezwungen, uns auf eine Stufenleiter von Werten zu beziehen, die von den ewigen Wirklichkeiten abhängen, und das eben ist es, was “unsere Zeit” niemals tut.

Das Mittelalter ging von dem Gedanken aus, daß der Mensch böse ist, weil es sündigt, während für unser Jahrhundert der Mensch gut ist, weil es ja die Sünde gar nicht gibt, so daß böse vor allem das ist, was uns an die Sünde glauben macht. Die moderne “Menschlichkeit” will in der Überzeugung daß der Mensch gut sei, den Menschen beschützen — doch vor wem? Vor dem Menschen natürlich — aber vor welchem Menschen? Und wenn das Böse nicht vom Menschen herkommt, woher kommt es dann, da doch die Überzeugung herrscht, daß es keine Verantwortung gebe außer der menschlichen, und vor allem keine über ihr?

Schuon, Das Ewige im Vergänglichen, Otto Wilhelm Barth Verlag, 1984, pp. 153-154.

Heldentum und priesterlicher Haltung

Häuptling Wolf Robe, Cheyenne.

Der faszinierende Zusammenhang von kriegerisch-stoischem Heldentum und priesterlicher Haltung verlieh dem Indianer der Steppen und Wälder eine Art von Hoheit, die zugleich an der Adler und an die Sonne gemahnt; daher die kraftvoll eigenartige und unersetzliche Schönheit, die mit dem Roten Mann verbunden war und zu seinem Ruhm als Krieger und als Märtyrer beiträgt. Wie die Japaner zur Zeit der Samurai war der Indianer zutiefst künstler in der äußeren Gestaltung seiner Persönlichkeit: Abgesehen von der Tatsache, daß sein Leben ein ununterbrochenes Spiel mit Leiden und Tod und deshalb eine Art von ritterlichem karma yoga war, verstand er es, seinem geistigen Lebensstil eine künstlerische Form von unübertrefflicher Ausdruckskraft zu geben.

Schuon, Das Ewige im Vergänglichen, Otto Wilhelm Barth Verlag, 1984, pp. 90-91.

Es sei denn, dass ihr werdet wie Kinder

“Es sei denn, dass ihr werdet wie Kinder,” sagte Christus. Das Gute am kindlichen Zustand ist ja eben die seelische Unverbrauchtheit: die Dankbarkeit für die bescheidenste Gabe der Welt und des Lebens; dazu ein unbewusstes und dennoch wirkliches Gottvertrauen. Der alternde Mensch neigt dazu, alles in Zusammenhang mit einem Universum zu sehen; wenn hingegen ein Kind sich an einer Blume freut, ist die Blume allein da. Beide Erlebnisweisen — denn jede hat ihre Rechtfertigung — verbinden sich beim Geistigen Menschen im Sinn für’s Heilige; für die himmlisch-göttlichen Urbilder.

Schuon, Brief an Titus Burckhardt, 11. Juni 1983.

Das Ich, die Tat und die Sache

“Gott in ihm ist die transzendentale und wirkliche Selbstheit” (Srî Ramakrishna).

Der gefallene Mensch ist zugleich erdrückt und zerrissen durch zwei einander widersprechende Schein-Unbedingtheiten: das lastende “Ich” und die zerstreuende “Sache”, das “Subjekt” und das “Objekt”, das Ego und die Welt. Schon gleich beim Aufwachen am Morgen erinnert sich der Mensch, wer er ist, und alsbald beginnt er, an diese oder jene Sache zu denken. Zwischen dem Ich und dem Gegenstand aber besteht ein Band, das gemeinhin aus ainem Tun gewoben ist, und daraus ergibt sich eine Dreiheit, die sich in folgenden Satz fassen läßt: “Ich tue das” oder auch, was auf dasselbe herauskommt: “Ich will das.” Das Ich, die Tat und die Sache sind praktisch drei Götzen, drei Scheidewände, die das Absolute verdecken.

Der Geist kann auf den Wassern der Welt gehen

Sofort streckte Jesus ihm die Hand entgegen, hielt ihn fest und sagte: »Vertraust du mir so wenig, Petrus? Warum hast du gezweifelt?«

Der Mensch ist ursätzlich mehr als die Erde; denn er geht auf ihr mit seinen Füßen. Also ist auch sein Geist mehr als die Welt; denn er geht auf ihr mit seinen Füßen. Jesus ging auf dem Wasser und wurde bei seiner Verklärung von der Erde gehoben; also kann auch der Geist auf den Wassern der Welt gehen und von der Welt gehoben werden.

SchuonLeitgedanken zur Urbesinnung, Verlag H.J.Maurer, Frankfurt am Main, 2010, p. 52.

Wir sind göttliche Möglichkeiten…

Da die Sonne nicht Gott ist, muß sie sich jeden Abend vor dem Throne Allâhs niederwerfen; so heißt es im Islam. Und genauso kann Mayâ, da sie nicht Atmâ ist, sich nur in Unterbrechungen manifestieren; die Welten entspringen dem göttlichen Wort und kehren in es zurück.

Die Unbeständigkeit entgilt die Bedingtheit; die Frage, warum es ein Ende der Welt und eine Auferstehung geben wird, läuft auf die Frage hinaus, warum eine Atembewegung an einem ganz bestimmten Punkt aufhört, um der entgegengesetzten Bewegung Raum zu geben, oder warum eine Welle sich vom Ufer zurückzieht, nachdem sie es überflutet hat, oder auch, warum die Tropfen eines Springbrunnens auf die Erde zurückfallen.

Wir sind göttliche Möglichkeiten, die in die Nacht des Daseins hinausgeworfen und durch ebendieses Hinauswerfen zerteilt wurden, wie das Wasser in Tropfen zerperlt, wenn es in die Leere hinausgeschleudert wird, oder auch, wie es zu Kristallen gerinnt, wenn die Kälte es erfaßt.


Schuon, Das Ewige im Vergänglichen, Otto Wilhelm Barth Verlag, 1984, s. 99.

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Der Mensch, der Gott liebt, ist derjenige, der im “Innern” lebt

Der Mensch, der Gott liebt, ist derjenige, der im “Innern” lebt, das heißt, derjenige, der in seiner beschaulichen Innerlichkeit — sozusagen seinem “Sein” — verharrt und zugleich seiner unendlichen Mitte zustrebt. Die geistige Beharrlichkeit wirkt der endlosen Bewegung der Erscheinung entgegen, wohingegen die geistige Bewegung sich der natürlichen Trägheit der gefallenen Seele widersetzt, der Verhärtung des Herzens, die durch die Gnade und die Liebe zu heilen ist; einer Verhärtung, zu deren Heilung all das erforderlich ist, was das Ich gefügig macht, umwandelt und übersteigt.


Schuon, Perlen des Pilgers, Benziger, 2000.

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Das einzige, was notwendig ist

Anandamayi Ma (1896-1982).

Ich bin ich selbst und nicht ein anderer, und ich bin hier, so wie ich bin, und das geschieht notwendig jetzt. Was muß ich tun? Das erste, was sich aufdrängt, und das einzige, was sich unbedingt aufdrängt, ist meine Beziehung zu Gott. Ich erinnere mich an Gott, und in und durch diese Erinnerung ist alles gut, denn es ist Gottes eigenes Gedenken. Alles andere liegt in seinen Händen.


Frithjof Schuon, Perlen des Pilgers, Benziger, 2000, s. 29.

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Die entscheidende Antwort auf die Frage der Vorbestimmung

Das Leben eines Menschen — wie sein gesamter Daseinszyklus, von dem das Erdenleben und der Menschenzustand nur Inhalte sind — ist im göttlichen Intellekt als ein umgrenztes Ganzes enthalten, das heißt als eine festgelegte Möglichkeit, die ist, was sie eben ist, und folglich in keinem ihrer Anblicke aufhören kann, sie selbst zu sein. Denn eine Daseinsmöglichkeit ist in einer gewissen Beziehung nichts anderes als ein Ausdruck der unbedingten Notwendigkeit des Seins, und daher rührt ihre äußere Einheit und innere Folgerichtigkeit: Die Daseinsmöglichkeit ist etwas, was nicht “nicht sein” kann.

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